Schwarzfahrer

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Mit großen Augen schaute er mich an. Das Lid zuckte gelegentlich, die Stirne legte sich in Falten.

“Was?”, fragte ich.

“Wie sieht es denn nun aus?”, fragte er.

“Wenn Sie mich drängen, schlecht!”

“Wir haben aber nicht den ganzen Tag Zeit!”

“Ich auch nicht, und Lust darauf schon gar nicht!”

“Warum kommen Sie dann ausgerechnet zu mir?”

“Weil wir hinten angefangen haben und Sie nun an der Reihe sind!”

“Sie dürfen mich aber auch gerne ignorieren!”

“Wieso? Haben Sie keine Fahrkarte?”

“Haben Sie denn eine?”

“Natürlich nicht, aber ich brauche auch keine.”

“Ich finde das unfair! Vor dem Gesetz sind alle gleich!”

“Wir sind nicht gleich! Ich arbeite hier und Sie sind Fahrgast!”

“Das sagen Sie nur, weil ich schwarz bin!”

“Sie sind gar nicht schwarz!”

“Das sagen Sie! Ich fühle mich schwarz!”

“Wie meinen Sie das? Fahren sie schwarz?”

“Was verstehen Sie unter Schwarzfahren?”

“Jemand, der ohne gültige Fahrkarte unterwegs ist, fährt schwarz!”

“Und wenn er schwarz ist?”

“Es spielt keine Rolle, welche Hautfarbe jemand hat. Wenn er keine Fahrkarte besitzt, ist er Schwarzfahrer.”

“Wieso er? Und wenn es eine Frau ist?”

“Dann ist sie eine Schwarzfahrerin!”

“Und wenn es ein Transsexueller Mensch ist?”

“Dann ist es trotzdem ein Schwarzfahrer!”

“Und wenn er vom Mann zur Frau umgebaut wurde? Wäre es dann nicht eine Schwarzfahrerin?”

“Ja, vermutlich!”

“Und wenn der Umbau noch nicht abgeschlossen ist?”

” … hmm …”

“Sie haben also eigentlich keine Ahnung und trotzdem wollen Sie mich kontrollieren?”

“Es spielt keine Rolle, welches Geschlecht und welche Hautfarbe jemand hat – er oder sie braucht eine gültige Fahrkarte, um den Zug benützen zu dürfen!”

“Genau, das versuche ich ihnen ja schon lange klar zu machen! Ich habe eine Fahrkarte, Sie, wie Sie vorhin bestätigten, nicht! Wer ist hier nun der Schwarzfahrer?”

Als ich aus dem Zug ausstieg, folge er mir nicht. Sprachlos blieb er an der Türe stehen.

Ich drehte mich um.

“Wie würden sie jemanden nennen, der zurückbleibt?”

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